[Rezension] Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden



Titel: Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden
Autor: Genki Kawamura
Preis: € 18,00 (HC)
Seitenanzahl: 192
Genre: Roman
Reihe: Einzelband
Meine Wertung: 3,5/5 Hühnchen 



Story: 

Ein noch junger Mann erfährt, dass er einen Hirntumor und nur noch wenig Zeit zu leben hat. Zu Hause steht ihm dann aber plötzlich der Teufel gegenüber, mit einem verlockenden Angebot. Für jeden Tag, den der weiterleben will, verschwindet eine Sache von der Welt. Der Teufel entscheidet welche. Der Mann lässt sich auf den Deal ein und schon bald verschwinden Telefone, Uhren und Filme, doch als es seiner Katze an den Kragen gehen soll, beginnt er sich zu fragen, was das Leben eigentlich lebenswert macht.


Meine Meinung:

Ich kann nicht genau sagen, womit ich gerechnet habe. Ich hab das Buch gelesen, weil wir es als Leseexemplar im Laden hatten, ich das Cover schön fand, Katzen liebe und es nun wirklich nicht lang ist. Ich dachte also, ein nettes Buch für zwischendurch. Aber trotz der wenigen Seiten, bringt dieses Büchlein einen in so vielen Bereichen zum Nachdenken. Es geht um das Leben eines jungen Mannes, bzw. um seinen Tod. Aber um über seinen Tod lesen zu können, müssen wir erst sein Leben kennenlernen. Er denkt, jetzt wo er sterben soll, viel über seine Vergangenheit nach. Sein Leben setzt sich immer mehr aus Rückblicken zusammen, bis wir es nahezu komplett kennen. Beim Lesen des Klappentextes bekommt man den Eindruck, dass es sich um ein Buch über den Tod handelt, bzw mit der Zeit vor dem Sterben. Aber eigentlich geht es in diesem Buch genau um das Gegenteil, nämlich das Leben. 
Das ist mir schon während des Lesens aufgefallen, aber besonders am Ende. 
SPOILER (die nächsten drei Zeilen markieren, um ihn sichtbar zu machen)
Denn obwohl man weiß, dass unser Protagonist sterben wird, bekommt man nicht zu lesen, wie er stirbt. Es endet und er ist noch mitten in seinem letzten Tag, er lebt am Ende noch.
Aber nicht nur über dieses große Thema Leben und Tod kommt man ins Grübeln, auch die Frage: Wie beeinflussen scheinbar unwichtige Dinge unsere Welt.
Der Teufel lässt jeden Tag etwas verschwinden, damit der Hauptcharakter weiterleben kann und es sind nicht so banale Sachen, wie Staub oder etwas anderes, das wir vielleicht gar nicht sofort bemerken würden. Es sind zum Beispiel Uhren. Im ersten Moment denkt man, dass das zwar unpraktisch ist, aber funktioniert, aber dann stellt man fest, dass Uhren unser komplettes Verständnis von Zeit festlegen. Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre, alles hängt nur an diesem einen Gegenstand. Und so gibt es noch mehr Dinge, deren Existenz unser Leben und unsere Wahrnehmung beeinflussen, ohne, dass es uns bewusst ist. Unser Protagonist stellt wirklich sehr interessante Fragen, wieso wir Menschen bestimmte Dinge so sehen, wie wir sie sehen. Es werden einem in gewisser Weise die Augen geöffnet. Der Mensch stellt sich über alles, denkt er hätte, außer der Natur (und die teilweise ja mittlerweile auch schon), alles unter Kontrolle. Wir stecken alles in Kategorien. Wir erschaffen etwas wie Zeit und vergessen, dass es eigentlich nicht existiert, sondern wir nur so tun als ob. 

Und dann geht es noch um die Beziehung zwischen einem Mann und seiner Katze. Und obwohl es in diesem Buch um Tod, Familie, Leben und die ganze Existenz von Dingen und Menschen geht, hat mich doch diese Beziehung am meisten gepackt und zum Nachdenken gebracht. Weißkohl, einer der wenigen Charaktere in diesem Buch mit einem Namen (nur der Teufel und die Katze aus der Kindheit des Protagonisten haben sonst noch einen Namen), ist noch eine relativ junge Katze, vier Jahre alt und die Schlüsselfigur in diesem Buch. Ich habe selbst einen Kater, er ist mein Ein und Alles. Er ist nun 18 Jahre alt und bei uns eingezogen, als ich vier war. Ich kann mich also nicht mehr an ein Leben ohne ihn erinnern. Wie der Titel des Buches schon verrät, auch die Katzen sollen verschwinden, damit der Hauptcharakter einen weiteren Tag leben darf. Mir kamen beim Lesen immer wieder die Tränen, als ich daran gedacht habe, ohne meinen Kater weiterleben zu müssen. Ich weiß, dass ich mich bei seinem hohen Alter langsam an den Gedanken gewöhnen muss, dass er nicht mehr lange bei mir sein wird. Aber in diesem Buch wird die Beziehung eines Menschen zu seiner Katze perfekt beschrieben. Natürlich verbringt man nicht jede freie Minute mit ihr, sie nervt einen oft (weckt einen viel zu früh auf und will dann gar nicht, tritt auf wichtigen Unterlagen rum, kommandiert einen mit ihrem Maunzen rum, will nur dann schmusen, wenn man keine Zeit hat und und und), man schiebt sie in manchen Situationen weg oder ignoriert sie, aber wenn sie nicht da ist, dann fehlt etwas. Solange man weiß, wo sie ist, muss sie nicht bei einem liegen. Katzen (auch Hunde) sind Familienmitglieder. Mein Kater ist mein Baby, er ist quasi mein bester Freund seit Kindertagen. Wenn man sowas erzählt, wird man oft belächelt, aber Haustierbesitzer verstehen das. Es sind gar nicht so sehr die Tiere, die uns brauchen, besonders die Katzen brauchen uns nicht, das zeigen sie offen 😅, aber wir brauchen sie. Und dieses Gefühl bringt dieses Buch perfekt rüber. Ich denke aber, dieses Buch ist tatsächlich für Katzenbesitzer geschrieben.
Wieso ist meine Bewertung trotzdem nur mittelmäßig ausgefallen? Ganz einfach, ich fand es anstrengend geschrieben. Der ständige Wechsel in die Erinnerungen und die Tatsache, dass die Charaktere keine Namen hatten, haben es mir irgendwie schwer gemacht. Und dann ist es noch eine Geschmackssache, ich lese nicht gerne "einfache" Lebensgeschichten.
Dafür ist dieses Buch aber vollgestopft mit fantastischen Zitaten, die eigentlich meine ganze Bewertung hinfällig machen, weil sie alles perfekt zusammenfassen.


Um etwas zu bekommen, muss man auf etwas anderes verzichten", hatte meine Mutter mir erklärt.
- Seite 40
Es war schon merkwürdig. Keine der zig in meinem Handy gespeicherten Nummern wusste ich auswendig. [...] Ich hatte all meine Beziehungen ganz und gar dem Mobiltelefon anvertraut und mein Gedächtnis ebenso.
- Seite 49
Warum erwarten wir immer von anderen, was wir selbst nicht können?
- Seite 51
"Ehrlich gesagt, möchte ich wissen, wer ich bin und ob mein Leben einen Sinn hatte"
- Seite 52
"Du bist wirklich oft auf die Toilette gegangen", sagte sie als Erstes, als ich an den Tisch zurückkam.
"Wie bitte?"
"Ständig", sagte sie. "Ganz lange. Und das als Mann."
Was sollte das denn plötzlich?
Das hatte mir ja noch niemand vorgeworfen. Doch wenn ich darüber nachdachte, stimmte es wohl. Auf der Toilette konnte ich in ruhe überlegen, ich war in einer anderen Welt. Ich konnte in aller Ruhe mein Geschäft verrichten und mir die Hände waschen.
- Seite 53
"Es gibt viel Grausames auf dieser Welt. Aber ebenso viel Schönes."
- Seite 62
"Ihr Menschen glaubt, ihr seht die Welt, wie sie ist. Aber da irrt ihr euch gewaltig. Ihr stellt Definitionen auf und seht sie dann so, wie es euch passt. [...]"
- Seite 108
Um zu leben, beraubte ich die Zukunft.
- Seite 121
Die Katzen brauchen uns nicht. Wir brauchen sie.
- Seite 145
"Einfach nur am Leben zu bleiben hat keinen Sinn. Es kommt doch darauf an, wie man lebt, oder nicht?"
- Seite 169

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