Aus dem Leben einer Buchhändlerin #5 Was gefällt mir nicht?

Diesmal möchte ich nichts aus dem klassischen Buchhändleralltag erzählen, sondern speziell aus meinem. Bzw. darüber, wie es für mich ist, Buchhändlerin zu sein. Oder sowas ähnliches, die Ausbildung habe ich ja nicht abgeschlossen. Und da sind wir auch schon beim Thema: Buchhändlerin ist definitiv nicht mein Traumberuf. Man könnte auch sagen, dass ich in diesem Beitrag mal erzähle, was mir alles an meinem Job nicht gefällt (und das ist eine Menge). Ein großes Problem an diesem Beruf ist das falsche Bild, das man davon hat. Und das einem auch vermittelt wird. Ich weiß noch ganz genau, wie mir damals im Bewerbungsgespräch die Frage gestellt wurde, ob ich gerne lese. Und natürlich lese ich gerne, was ist das überhaupt für eine Frage, warum sonst sollte ich in einem Buchladen arbeiten wollen? Allerdings bringt es einem in diesem Beruf absolut nichts, wenn man gerne liest, im Gegenteil. Es ist nämlich gar nicht so wichtig, dass man gerne liest, sondern dass man viel liest (wofür man aber gar keine Zeit hat). Liest man gerne, wird es einem sogar eher kaputt gemacht. So ging es mir am Anfang sehr lange. Man muss nämlich lesen und man muss vor allem lesen, was die Kunden interessiert und das entspricht selten dem eigenen Geschmack (zumindest bei mir). Ich habe für mich inzwischen entschieden, dass ich das nicht mehr mache. Ich liebe es zu lesen und das möchte ich mir nicht kaputt machen, indem ich mich zu Büchern zwinge, die mir nicht gefallen. Das hat aber auch zur Folge, dass es jedes Mal wieder eine Qual für mich ist, wenn ein Kunde mich um eine Beratung bittet. Ich hab Empfehlungen aus dem Jugendbuch, für Mangas und Jugendfantasy, zum Thema Feminismus und Satire, aber Kunden, die diese Genre lesen, sind nicht die, die sich beraten lassen. Beratungen macht man dann im Kinderbuch (wo man sich immer wieder zurückhalten muss, die Kunden nicht anzuschreien, weil sie unbrauchbare und dämliche Infos zu den Kindern geben), Familienromane sind gewünscht, Krimis ohne Ende, Historik oder Biografien über Menschen, von denen ich noch nie gehört habe. Während die Lebensgeschichte einer Bäuerin Anfang des 20. Jahrunderts für mich einfach nur langweilig zu lesen wäre, beschreiben Kunden diese als unfassbar spannend. Und das Leben einer Schauspielerin wird als wild und witzig beschrieben, nur weil sie zwei Mal geschieden ist. Ich denke es ist klar, was ich meine: Der Unterschied zwischen den Generationen ist groß. Und ich bemühe mich nicht mehr so zu tun, als wäre er nicht da. Ganz ehrlich, meistens denke ich mir anhand des Covers und der ersten zwei Sätze des Klappentextes einfach irgendwas aus, worum es in den Büchern, die ich empfehle, angeblich geht. Das klingt wahrscheinlich total fies und ist es auch. Aber dieser Job ist für mich nur ein Nebenjob, ich habe schlicht nicht die Lust meine Freizeit dafür zu opfern. Es reicht schon, dass ich beim Einkaufen, spazieren gehen und in meiner Nachbarschaft ständig angesprochen werde. Alles Kunden und alles Menschen von denen ich nicht ansatzweise weiß, wer sie sind. Ich sehe am Tag ca. 100 Kunden (im Schulbuch- und Weihnachtsgeschäft mehr), ich merke mir weder Namen noch wie sie aussehen, aber genau das erwarten sie von mir. Das Problem ist, dass meine Kollegen das alles super können. Sie lesen viel und genau das, was unsere Kunden interessiert. Sie kennen Kunden privat, sie merken sich ihre Namen und erkennen sie auf der Straße. Der Grund ist einfach: Sie haben eine Leidenschaft für ihren Beruf. Die habe ich nicht. Ich habe keine Leidenschaft für Literatur, ich lese einfach nur gerne. Mir macht verkaufen keinen Spaß, ich will die Kunden nur schnellstmöglich wieder aus dem Laden haben. Ich liebe das Abarbeiten im Schulbuchgeschäft, wenn alle einfach nur ihre Hefte abholen und mehr nicht, aber sobald ich hinter der Kasse hervorkommen muss, beginnt für mich der Horror.
Warum mache ich diesen Job dann überhaupt noch? Ich brauche das Geld und weiß nicht, was ich sonst machen soll. Ich habe keine Ahnung, ob ich mich mit meinem Studium in eine Richtung bewege, die mir dann besser gefallen wird. Ich habe noch keine Leidenschaft entdeckt, die ich zum Beruf machen könnte. Also konzentriere ich mich auf die Dinge, die ich gut kann.
Was will ich mit all dem jetzt sagen? Es gibt viele Menschen, die gerne lesen und denken, dass sie deshalb Buchhändler werden sollten, aber das kann nach hinten los gehen, weil sehr viel mehr dazugehört. Man muss bereit sein, alles zu lesen und nicht mehr nur nach seinem Geschmack, man muss eine Leidenschaft für Literatur haben, sich also über das bloße Lesen hinaus damit beschäftigen und man muss verkaufen können, was für mich der schwierigste Teil ist. Eine Leidenschaft über das Lesen hinaus habe ich für Literatur nicht, zumindest nicht so, wie es gebraucht wird. Ich habe kein Interesse an Klassikern. Mir ist der Autor des Buches egal (was fatal ist, weil alle immer nur mit Autorennamen um sich werfen, die ich mir nicht merke und die ich sowieso nicht kenne. Ich halte auch nichts davon, wenn jemand kommt und nach dem neuen Buch von ... fragt. Solche Bücher werden nur wegen des Autors gekauft, nicht wegen des Inhalts). Mit Literatursendungen kann ich nichts anfangen, denn dort geht es nur um Bücher, die man erst stundenlang auseinandernehmen muss, um sie zu verstehen. Ich lese, um mich zu unterhalten, nicht, um mich darüber zu unterhalten. Ich will Spaß haben beim Lesen und nicht ewig überlegen, was der Autor meint.
Ich weiß nicht, wie ich diesen Beitrag beenden soll. Es gäbe noch mehr, dass ich beschreiben könnte, was mir keinen Spaß macht. Im Endeffekt ist es einfach so, dass meine Generation nicht die ist, die ich bediene und mir die Leidenschaft fehlt, mich für die ältere Generation umzustellen. Deswegen habe ich die Ausbildung auch nicht beendet, ich möchte diesen Beruf nicht mein Leben lang ausüben. Ich möchte ihn schon jetzt nicht mehr machen, muss es aber noch, bis ich bessere Optionen habe. Ich will das Buchhändler Dasein nicht verteufeln, es gibt auch Positives und für viele ist es auch genau das Richtige (davon kenne ich genug, auch in meinem Alter), nur finde ich, dass der Beruf nach Außen einfach komplett anders wirkt, als er dann wirklich ist.

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